Kulturding

Kultur ist unser aller Ding!

Wir stellen Ihnen hier Menschen vor, die Kultur zu ihrem Ding gemacht haben. Die Auswahl ist (noch) klein und wird allmählich erweitert. Alle haben einen Bezug zum Regionalen Kultur Programm NRW, indem Sie Partner sind, in Netzwerken aktiv oder ein Projekt im Rahmen des RKP durchführen.

Die Fotos stammen von dem Altenaer Fotografen Dirk Vogel, die Texte von Eva Nadine Wunderlich von Texterleben und Susanne Boecking

Vielen herzlichen Dank an die kooperativen, geduldigen und fotogenen Kulturmodelle!

Die Galerie: Ein Überblick über die Kulturding-Porträts

Bettina Hornemann sitzt in einer alten Drahtzieherei im Drahtmuseum im Schneidersitz auf einem Holzstamm.

Schaffen und malochen für die Industriekultur

Bettina Hornemann, Koordinatorin des Vereins WasserEisenLand

Das Porträt
Porträtaufnahme von Marc Debie, vor einem alten roten Lampenschirm sitzend. Er schaut seitlich aus dem Schaufenster der Theaterbotschaft auf die Hagener  Einkaufsstraße

Ein Theater braucht Botschaften, keine Barrieren

Marc Debie, Theaterbotschafter Theater Hagen

Das Porträt
Porträt Bettina Görlitzer, sie lacht in die Kamera.

Engagement von hier auf den Schirm gebracht

Bettina Görlitzer, freie Redakteurin und Newslettermitarbeiterin

Das Porträt
Drei Mitglieder der Qulturwerkstatt tragen ein Modell des Gebäudes über ihren Köpfen. Alle sind mit einem gelben T-Shirt mit dem Q für Qulturwerkstatt bekleidet.

Ein Kulturort für alle muss von vielen getragen werden

Das Team der Qulturwerkstatt Netphen

Das Porträt
Großaufnahme das Gesichts von Jennifer Cierlitza von der Seite vor einem schlichen weißen Hintergrund.

Ohne Kunst ist die Welt weniger ausdrucksvoll

Jennifer Cierlitza, Kunstverein Siegen e. V.

Das Porträt
Dirk Vogel schaut seitlich in die Kamera, rechts  neben ihm hängt ein schwarz-weiß Foto einer Künstlerin, das er fotografiert hat.

Fotografie ist eine Frage der Perspektive

Dirk Vogel, Kultur ist unser Ding-Fotograf

Das Porträt
Tim, David und Milan richten je der drei einen Scheinwerfer, die sich über ihren Köpfen befinden, auf einen fiktiven Besucher und schauen auffordernd in die Kamera.

Komm in unser Rampenlicht!

David, Milan und Tim, Bruchwerk Theater Siegen

Das Porträt
Ulrike Wesely steht vor einem roten Theatervorhand, hält sich einen Grammophontrichter vor ihr rechtes Ohr und macht dabei ein gespielt theatralisch erstauntes Gesicht.

Kultur muss lauter und gehört werden!

Ulrike Wesely von MuT Sauerland e. V.
Das Porträt
Jutta Törnig-Struck steht im Museum vor einem flachen Glasrahmen an der Wand, hinter dem alte Nadeln zu sehen sind. Die Nadeln sind wie Colliers aufgereiht.

Arbeit ästhetisch in Szene gesetzt!

Jutta Törnig-Struck, Industriemuseum Gut Rödinghausen

Das Porträt
Porträtaufnahme der Erzählerin, die in nachdenkler Pose im  Garten sitzt, den Kopf mit der rechten Schläfe auf die Fingerspitzen einer Hand abgestützt.

Geschichten wollen sorgfältig gepflückt werden!

Wiltrud Köser-Klöckner, Mitglied der Gruppe Ohrenschmaus

Das Porträt
Dr. Trox steht in einem Ausstellungraum, im Hintergrund sind Exponate zu sehen. Links neben ihm steht ein Spiegel, der die Rückansicht des Museumsleiters inklusive weitere Exponate spiegelt.

 Auseinandersetzung mit unserer Vergangenheit

Dr. Eckhard Trox, Geschichtsmuseum Lüdenscheid

Das Porträt
Die Autorin sitzt in der Wendener Hütte an eineme Tisch, die Ellebogen aufgestützt und das Gesichts in die gefalteten Hände seitlich abgelegt.

Südwestfalen: eine On-Off-Beziehung

Barbara Peveling, Regionsschreiberin stadt.land.text 2020

Das Porträt

Die Kulturding-Porträts

Schaffen und malochen für die Industriekultur

Bettina Hornemann, Koordinatorin WasserEisenLand e. V.

Wenn es darum geht, die südwestfälische Industriekultur groß rauszubringen, dann krempelt Bettina Hornemann ihre Ärmel ganz weit nach oben und legt los. Schließlich müssen viele heiße Eisen geschmiedet werden. Gleichzeitig natürlich.

Bettina Hornemann sitzt in einer alten Drahtzieherei im Drahtmuseum im Schneidersitz auf einem Holzstamm.

Drähte ziehen für die Technikgeschichte

Hoch oben auf der Burg Altena. Inmitten des mittelalterlichen Ambientes einer der schönsten Höhenburgen Deutschlands. Buchstäblich in der tollsten Wirkungsstätte, die sich Bettina Hornemann beruflich vorstellen kann. Vom Sitz der Koordinierungsstelle für den Dachverband WasserEisenLand e.V. aus genießt die studierte Kultur- und Medienmanagerin nicht nur sagenhafte Ausblicke auf die alte Drahtzieherstadt Altena. Zugleich blickt die Koordinatorin eines der größten Kulturnetzwerke NRWs mit Begeisterung, Stolz und Wertschätzung auf das Herzblut, die Ideen und die Muskelkraft, mit der Menschen in Südwestfalen seit Jahrhunderten in den technischen Fortschritt investieren. Daran mitzuwirken, das kulturelle Erbgut einer der ältesten Industrieregionen Europas für nachfolgende Generationen zu bewahren, mit neuem Leben zu füllen und kulturtouristisch zu vermarkten, das ist Bettina Hornemanns Antrieb in der Schaltzentrale für südwestfälische Industriekultur.

Hier vor Ort setzt sie für die zahlreichen engagierten WasserEisenLand-Akteur:innen alle kommunikativen und koordinativen Hebel in Bewegung. Ob Websitepflege, die Betreuung von Publikationen bis hin zur Beratung der Vereinsmitglieder und Lenkung des südwestfalenweiten Festivalverbundes FERROMONE: In ihrer Profession befeuert die gebürtige Märkerin die Öffentlichkeitsarbeit des Kompetenznetzwerkes ebenso wie sie Marketingaktionen aus einem Guss auf den Weg bringt.

Porträtaufnahme Bettina Hornemann in Großansicht. Sie lächelt gewinnend in die Kamera.

Alle Hebel für die Teamarbeit in Gang bringen

Menschen zum Erleben, Entdecken und Mitmachen vor echter Industriekulisse anzuheizen. Sie mit allen Mitteln von Kunst, Kultur und Unterhaltung anzulocken, um die Bedeutung und den Freizeitwert südwestfälischer Industriekultur weit in die Region hinein und darüber hinaus mit Strahlkraft zur Geltung zu bringen, dafür brennt Bettina Hornemann – genauso wie ihre WasserEisenLand-Kolleg:innen aus ganz Südwestfalen sowie den Kreisen Hagen und Ennepetal und aus Teilen des Kreises Altenkirchen im nördlichen Rheinland-Pfalz. Exakt dafür kommen die Akteur:innen von großen und kleinen Industriemuseen, technischen Denkmälern, Vereinen und Kommunen immer wieder zusammen. Dann schmieden sie zusammen Ideen, bringen Projekte ins Rolle, kurbeln den Wissenstransfer an oder lassen Festivalfieber aufkommen.

Nur in solch einem kollegialen Miteinander können genau die vielfältigen Formate entstehen, die das südwestfälische Kulturerbe feiern: interaktive Stahl-Zeit-Reisen, DrahtSaitenAkt in einer historischen Fabrikanlage, spektakuläre Feuershows in historischen Salzwelten, artistische Acts rund um Deutschlands älteste Hochofenanlage. Und nur im gemeinsamen Netzwerk können noch viele weitere Ideen mit fantastischen Perspektiven gesponnen werden.

Ein Theater braucht Botschaften, keine Barrieren

Marc Debie, Theaterbotschafter für das Theater Hagen

Normalerweise sendet Theater viele Botschaften aus. Aber werden Sie immer und von allen verstanden? Marc Debie als Theaterbotschafter des Theater Hagens hat sich auf Weg gemacht, das Theater zu den Menschen zu bringen.

Großaufnahme das Gesichts von Marc Debie vor einem grünen blickdichten Vorgang. Links neben ihn stehe eine Lampe mit zwei Leuchten, die Lichtimpulse setzen.

Theaterbotschaften gehören in die Mitte

Im Herzen von Hagen zwischen Spinngasse und Goldbergstraße, mitten in der Fußgängerzone, exakt in der Kampstraße 13. Im gemütlichen Ladenlokal ist das Engagement der "Theaterbotschaft" deutschlandweit einmalig. Seit April 2021 stehen die Türen der repräsentativen "Außenstelle" des Theater Hagens weit offen. Für interkulturelle Begegnungen, für kreative Prozesse, für den direkten Austausch und vor allem für die Menschen in Hagen und dem Umland. Marc Debie, den seine Leidenschaft für darstellende Künste und Musik schon seit jungen Jahren begleitet, wirkt vor Ort in seiner prägnanten Rolle als Theaterbotschafter. Als Ansprechpartner, Koordinator und Networker ist der studierte Kultur- und Medienmanager persönlich da: zum einen für unmittelbare Informationen über aktuelle Produktionen, buchbare Gruppen-Arrangements, Stadtteilprojekte, Mitmach-Aktionen oder theaterpädagogische Angebote des Hagener Theaters. Und zum weiteren ebenso für aktive Netzwerkarbeit mit städtischen und kulturellen Partnerorganisationen. Menschen im Rahmen der vielfältigen Optionen zu begeistern, zu beraten, bei Planungen von Ausflügen ins Theater oder der Organisation von eigenen Kulturveranstaltungen zu unterstützen, mit anderen Kulturorten ins Gespräch zu kommen und mit weiteren Kulturschaffenden für Mehrwerte in der Region zusammenzuwirken – das alles sind Parts, die Marc Debie an seiner Arbeit sehr schätzt.

Porträtaufnahme von Marc Debie, vor einem alten roten Lampenschirm sitzend. Er schaut seitlich aus dem Schaufenster der Theaterbotschaft auf die Hagener  Einkaufsstraße

...und von dort aus an die Öffentlichkeit

Ganz besonders freut es ihn, wenn er Menschen mit seiner Faszination für Kunst, Theater, Tanz und Musik anstecken kann, die vorher dachten: Das ist nichts für mich. Mit seinem Engagement dazu beitragen zu können, auch Hemmschwellen oder Barrieren abzubauen, das ist für den Theaterbotschafter in der Kampstraße 13 in Hagen von starker Bedeutung im Jetzt und in Zukunft. Zum Repertoire des theatereigenen Show Rooms gehört es, in zentraler Lage theatervermittelnd aktiv zu sein und kulturelle Teilnahme auf vielen Ebenen zu ermöglichen.

Ob Kreativ-Workshops, Lesungen, Gesprächsrunden oder kleine Vorführungen. Ob Beratung in Sachen städtisches Musiktheater, Ballett, Schauspiel, Kinder- und Jugendtheater oder Konzertwesen: Die Theaterbotschaft im ehemaligen Optiker-Geschäft ist Kontakt-, Aktions- und Präsentationsraum in einem. Im Rampenlicht der Lokalität steht natürlich die Theaterbühne: Besucher:innen können hier einen Einblick in die Arbeitswelten von Theatermachern erhaschen und werden feststellen, dass Theater zwar schön, aber auch harte Arbeit ist.

Engagement von hier auf den Schirm gebracht

Bettina Görlitzer, freie Redakteurin

Nah dran sein. Erspüren, erfühlen, erfahren … teilhaben lassen: Das passt treffend zum journalistischen Wirken von Bettina Görlitzer, die mit Leidenschaft lokales Geschehen an die Öffentlichkeit bringt. 

Bettina Görlitzer, die an ihrem Schreibtisch vor ihrem aufgeklappten Laptop sitzt und lacht. Der Schreibtisch ist überfüllt mit Zetteln, Arbeitspapieren, Notizblöcken.

Ein Schreibtisch - 1000 Themen

Ihr Terrain ist Lüdenscheid und Umgebung. Überall dort ist die freiberufliche Redakteurin unterwegs und spürt Geschichten für Reportagen, Portraits und Artikel auf. Es sind Stories aus Kulturbetrieben, der Wirtschaft, der lokalen Politik, dem Bildungsbereich, der Gesellschaft, ... alles in allem: Geschichten über das Geschehen in der Region, über Tatkraft und kulturelle Entwicklungen, die zu erzählen Bettina Görlitzer wichtig sind. 

Dass sich bisweilen auf dem heimischen Schreibtisch Ideen, Rechercheergebnisse, Informationsquellen und aktuelle Meldungen zu kleinen Hügeln und bunten Bergen häufen, gehört zum Kreativsein dazu. Zwischen 1000 Themen schleichen sich seit Jahren auch des öfteren kulturpolitische Inhalte aus ganz Südwestfalen ein, denn die Lüdenscheiderin ist auch Mitarbeiterin unserer "Q"-Newsletter-Redaktion. Kulturwissen sammeln, um ein umfassendes Quantum Kulturwissen mit der Community zu teilen, das macht sie regelmäßig. Privat wie beruflich sind es Momente und Begegnungen, die Bettina Görlitzer große Freude bereiten.

Porträt von Bettina Görlitzer mit Hund, einem kräftigen schwarzen Labrador, der von ihr gekrault wird.

Zeit für verbindende Kommunikation

Ob Auszeiten in der Natur mit ihrem Hund Billy – oder journalistische Tuchfühlungen vor der Haustür: Die Redakteurin schätzt den Reiz, Impulse zu entdecken, hinter Vorhänge zu schauen, Türen aufzumachen, Zusammenhänge kritisch zu beleuchten. Das alles macht ihr einen Riesenspaß – und dafür nimmt sie sich bei allen Projekten bewusst Zeit: Gespräche, Zuhören, Netzwerken! Wichtig ist ihr, Leser:innen mit ihren Texten über das zu informieren, was in ihrem Umfeld passiert und Menschen also auch Initiativen mit ihren Texten eine Öffentlichkeit zu geben. Denn sie ist sich sicher: Über andere zu kommunizieren und über von anderen zu erfahren, fördert die Gemeinschaft und schärft das Wissen von- und übereinander. Gerade in Zeiten sogenannter Fakenews ist die Bedeutung journalistisch recherchierter Fakten größer denn je!

Bettina Görlitzer steht exemplarisch für zahleiche Redakteur:innen und Autor:innen, feste wie freie Mitarbeiter:innen, die mit ihrem Schreiben regionales Geschehen in Wort und Bild in Szene setzen, Kulturarbeit porträtieren und mit viel Herzblut Geschichten aus der Kulturregion Südwestfalen erzählen. Und wer weiß, wann aus diesen Geschichten irgendwann Geschichte wird.

Ein Kulturort für alle muss von vielen getragen werden

Gabriele Schlemper, Giulia Gendolla und Stefan Bünnig von der Qulturwerkstatt in Netphen-Deuz 

Das Q ist ein lautmalerischer und nahezu ästhetischer Buchstabe. Das gelb hinterlegte Q der Qulturwerkstatt Netphen drückt die Programmatik des Ortes aus, nämlich anders zu sein, offen für jeden, für Jung und Alt, quirlig, optimistisch, positiv und „qulturell“.

Drei Mitglieder der Qulturwerkstatt halten das Modell der geplanten Kulturzentrums über ihren Köpfen. Alle sind mit gelben T-Shirts bekleidet, darauf ist das Logo Q zu sehen.

Ein Kulturort für alle muss von vielen getragen werden

Das Q ist ein ganz frisch aus der Taufe gehobener „Dritter Ort“, entstanden aus dem sozialen Bedarf und den kulturellen Bedürfnissen der Menschen im ländlichen Netphen-Deuz, ehrenamtlich getragen und professionell aufgebaut vom Verein Qulturwerkstatt. Ein Ort der Begegnung und Kultur für alle, braucht natürlich zuverlässige Unterstützung von Vielen. Das motivierte Kernteam der noch sehr jungen Initiative konnte innerhalb relativ kurzer Zeit eine unglaubliche Menge an Qomplizinnen und Qomplizen, also helfender Hände sowie kreativer Köpfe vor Ort und mittlerweile sogar darüber hinaus gewinnen. Außerdem wird die Qulturwerkstatt für das Q aus dem Programm „Dritte Orte“ der Landesregierung NRW gefördert und hat im Rahmen der REGIONALE2025 den zweiten Stern erhalten. Für Giulia Gendolla ist der Umzug nach Netphen ein Comeback, ihr Ehemann Stefan Bünnig ist Zugezogener, der glücklich ist, nach Jahren in großen Städten wieder aufs Land zurückzukehren. Beide haben in Netphen nicht nur eine Familie gegründet, sondern auch die Qulturwerkstatt ins Leben gerufen. Gabriele Schlemper, die Dritte im Bunde, trug zur Idee den passenden Ort bei: Das leerstehende, ehemalige Holzlager der väterlichen Schreinerei scheint wie gemacht für einen „Dritten Ort“.

Drei Mitglieder der QulturwerkstattJjonglieren im Garten des Kulturzentrums vor einem alten Apfelbaum mit Äpfeln. Alle sind mit gelben T-Shirts bekleidet, darauf ist das Logo Q zu sehen.

Wer jonglieren kann, der kann auch koordinieren

Folgt einer Idee eine konkrete Verortung, dann fängt die Arbeit erst richtig an. Es heißt, Finanzierungskonzepte ausarbeiten, Raumkonzepte zu entwerfen, Helferinnen und Helfer nicht nur gewinnen, sondern auch zu koordinieren, Inspirationen freien Lauf zu lassen und wieder einzufangen. Alle und Alles zusammenzubringen und zusammenzuhalten, im bürgerschaftlichen Engagement neben Job und Familie: das kann bisweilen zu einem Jonglageakt ausarten. Aber auch das ist Kunst.

In den letzten Jahren ist das Konzept des „Dritten Ortes“ (wieder) stärker in den kulturpolitischen Fokus gerückt. Die Landesregierung NRW fördert die „Dritten Orte“ als sozialer Kristallisationspunkt für Kunst, Kultur, generationenübergreifenden Miteinanders, der Begegnung und der gemeinsamen Taten. Neben der Qulturwerkstatt Netphen sind auch die Gemeinde Schalksmühle mit den 8Giebeln in der ehemaligen Kreuzkirche und die Bücherei Bad Berleburg noch auf dem Weg, ein „Dritter Ort“ zu werden.

Ohne Kunst ist die Welt weniger ausdrucks- und eindrucksvoll

Jennifer Cierlitza, Geschäftsführerin und Kuratorin Kunstverein Siegen e. V.

Künstler haben es in der Kulturregion Südwestfalen gewiss nicht immer leicht, sie leben und gestalten in einer Region, in der Kunst nicht zum lebenserhaltenden Absatzmarkt per excellence zählt.

Großaufnahme das Gesichts von Jennifer Cierlitza von der Seite vor einem schlichen weißen Hintergrund.

Darum müssen wir mehr Kunst wagen!

Extravagante und experimentelle Kunst ist hier zudem nicht unbedingt so heimisch wie in den Metropolen, in denen bunte Paradiesvögel ein besseres Klima und entsprechendes Milieu zum Überleben vorfinden. Aber: Bunte Vögel fallen dann dort deshalb nicht mehr so auf. Dafür hat unsere Region noch genügend Nischen und Plätze zu bieten, die eben noch nicht besetzt sind, Handlungsräume und Entwicklungspotential sind hier noch hinreichend gegeben – also viel Luft nach oben für jede Spezies Künstler. Jennifer Cierlitza weiß genau um dieses Potential und nutzt gerade diese Stärken der Region: den Raum, die vielen Räume, den Platz, die vielen Plätze und den Drang des jungen künstlerischen Nachwuchses nach Veränderung. Seit dem Jahr 2020 ist die junge Künstlerin und Kulturvermittlerin aus dem Rheinland, die an der Universität Siegen und an der Belas Artes in Lissabon Kunst studiert hat, Geschäftsführerin und Kuratorin des etablierten und renommierten Kunstvereins Siegen e. V.

Jennifer Cierlitza, schwarz gekleidet, steht in einer schlichen weißen Zimmerecke und blickt in die Kamera.

Neue Spielräume im Kopf und in der Fläche eröffnen

Zwar sind die städtischen Ballungsräume der Region wie Siegen, Hagen, Iserlohn und Lüdenscheid die Magnete für künstlerisches Schaffen. Aber auch in den ländlichen Räumen haben etliche Künstlerinnen und Künstler ihre Galerie im Grünen, in einem denkmalgeschützten Haus oder einem Bahnhof eingerichtet. Rund 25 Kunstvereine, mindestens 60 Galerien, Ateliers oder Künstlerwerkstätten zählt die Region. Einzelne Künstlerinnen und Künstler aufzuspüren, ist nahezu unmöglich, sie sind irgendwie überall, zwar nicht immer sichtbar, tragen aber dazu bei, das kulturelle Klima paradiesischer zu gestalten.

Zur Umsetzung ihres Plans, aktuell relevante Tendenzen in der Kunst zu nutzen, um in der Region neue Denk- und Handlungsspielräume zu eröffnen, hat Jennifer Cierlitza eine eingängige Strategie entwickelt: Durch die Vernetzung quer durch alle Sparten sowie der etablierten Künstlerinnen/Künstler mit dem künstlerischen Nachwuchs, Dialogen mit dem Publikum, Beteiligungsprozessen und der Eroberung neuer Plätze und Räume in der Stadt wie im ländlichen Umfeld werden der Kunst neue Perspektiven geboten.

Fotografie ist eine Frage der Perspektive

"Kultur ist unser Ding"-Fotograf Dirk Vogel

Eigentlich ist der Fotograf als Fotografierender eher der ausführende Künstler, der Handelnde und das Motiv das Objekt, das im Fokus des Objektives steht. Aber wenn der Fotograf sich selbst zum Objekt macht, wie fühlt sich das für ihn an?

Dirk Vogel schaut seitlich in die Kamera, rechts  neben ihm hängt ein schwarz-weiß Foto einer Künstlerin, das er fotografiert hat.

Auf der anderen Seite der Kamera!

Geht das fotografische Selbstporträt über ein obligatorisches Selfie hinaus? Der studierte Diplom-Fotodesigner Dirk Vogel aus Altena hat den Perspektivenwechsel für unsere Serie am eigenen Leibe ausprobiert. Normalerweise steht er hinter der Kamera und fotografiert leidenschaftlich gerne Landschaften, Architektur und vor allem Menschen. So setzt er unter anderem die Kulturschaffenden für unsere Kampagne „Kultur ist unser Ding“ in Szene, lässt sie dabei selbst Regie führen und über das Setting entscheiden.

Im Zeitalter der digitalen Fotografie via Smartphone und Tablet und der Möglichkeiten, welche die Bildbearbeitung bietet, sehen sich Fotografinnen und Fotografen leider mit einer sinkenden Wahrnehmung des Wertes ihrer künstlerischen Arbeit konfrontiert. Womit die Frage, was ein Selbstporträt von einem Selfie unterscheidet, nur sehr vage beantwortet ist. Das Ergebnis von Dirk Vogels Selbstversuch ist dafür klar: der Fotograf ist sich nun ziemlich sicher, dass sein Platz auch in Zukunft definitiv hinter der Kamera ist.

Dirk Vogel sitzt in seinem Fotolabor im Keller an einem Tisch, den Kopf in die Hand gestütz schaut er sinnierend vor sich hin. Im Hintergrund sieht man die Geräte zur Filmentwicklung, auf dem Tisch neben ihm liegen Kamera und weiße Handschuhe.

Ungefiltert reizvoll, ungeschönt echt

Dirk Vogels Credo lautet, dass die Menschen authentisch wirken sollen, ungefiltert, unretouchiert, nicht faltenfrei, nicht durch Überzeichnungen entstellt, sondern auch mal ein (mutmaßliches) Makel betonend, nicht durchgestylt– es sei denn, es gehört zum Typ dazu – sondern lieber natürlich. Dabei setzt Dirk Vogel leidenschaftlich gern auf analoge Fotografie und damit auf Wertigkeit: Mit einem 36er Film in der Kamera und der Aussicht, die Bilder per Hand entwickeln zu müssen, sind der Masse natürliche Grenzen gesetzt.

Fotografinnen und Fotografen dürfen und sollen fotografische Experimente wagen und darüber im Diskurs untereinander und mit dem Publikum bleiben. Künstlerisch und technisch anspruchsvolle Fotografie ist das perfekte Medium, um die Menschen mit ihren Ecken und Kanten zu konfrontieren, das eigene Profil einer Landschaft herauszustellen, den Zerfall eines Bauwerkes zu zeigen oder auch, um Ästhetik in ihrer vollen Schönheit zu präsentieren.

Komm in unser Rampenlicht!

David, Milan und Tim vom Bruchwerk Theater Siegen

Zu einer Bühne gehören immer mehrere Seiten: Ob Schauspieler, Zuschauer - alle spielen dabei eine Rolle. Aber die Hauptrolle, die mutige Kulturunternehmende übernehmen, darf keinesfalls als Spiel abgetan werden.

Tim, David und Milan richten je der drei einen Scheinwerfer, die sich über ihren Köpfen befinden, auf einen fiktiven Besucher und schauen auffordernd in die Kamera.

Rauf auf die Bretter und runter damit

Die Macher vom Bruchwerk Theater in Siegen möchten genau diese vielen Seiten einer Bühne bespielen und ins Rampenlicht rücken. Zur Entwicklung einer Theaterszene – eine Szene im und für das Theater – sind die Interaktion mit dem Publikum, das Teilen der Bühne mit theaterbegeisterten Menschen, das persönliche Einbinden von Besucherinnen und Besuchern in das Theatergeschehen sowie das professionelle Schauspiel selbstverständlicher Bestandteil des Bruchwerk Theaterkonzepts . Menschen werden hier nicht nur auf die Bretter geholt, die Bretter werden auch zu den Menschen gebracht. Damit dies gelingt, hat sich das Bruchwerk Theater ein eigenes und offenes Verständnis von Theater sowie eine gelungene Mischung aus Professionalität, Leidenschaft, Partizipation, Augenhöhe und mentale Barrierefreiheit zu Eigen gemacht.

Milan Pešl (rechts) ist studierter Schauspieler, Musiker und Komponist zahlreicher Theater- und Hörspielproduktionen und hat über das Bruchwerk Theater wieder den Weg in seine Heimatstadt Siegen gefunden. Tim Lechthaler (links) hat als gebürtiger Siegener in Siegen Germanistik und Philosophie studiert und ist seit der Studienzeit mit der Theaterarbeit verbunden. David Penndorf (mitte) wurde in Borna geboren und ist über sein Studium der Medien- und Kommunikationswissenschaften in Siegen gelandet. Er ist Mitbegründer der Theatergruppe tollMut, eine vormals studentische Initiative mit dem das Bruchwerk bis heute eng verbunden und verflochten ist.

David sitzt in der Mitte eines abgestoßenen schwarzen  Tisches, links neben steht Milan, rechts lehnt sich Tim an den Tisch an. Alle drei tragen legere Kleidung, der intergrund ist ebenfalls schwarz.

Mutige Kulturunternehmer

Milan Pešl, David Penndorf und Tim Lechthaler haben 2017 das Bruchwerk Theater im ehemaligen Hettlage-Gebäude in der Siegener Oberstadt als erste Studiobühne Siegens gegründet und damit den mutigen Schritt in die Selbstständigkeit, in ein Kulturunternehmen gewagt. Mutig auch deshalb, weil der Aufbau einer neuen Theaterstruktur geleistet werden sollte. Dabei verstehen die Bruchwerkler ihr Kulturunternehmen als Ergänzung und nicht als Konkurrenz in der Kulturlandschaft Siegens und der Region, die Vernetzung mit anderen Theatern und Kulturträgern hat daher einen hohen Stellenwert. Vor, hinter und neben der Bühne des Bruchwerk Theater hat sich eine geballte Power eines breit und interdisziplinär aufgestellten Teams zusammengefunden. Sie alle verbindet die Passion für das Schauspiel und die Lust darauf, diese Leidenschaft und ihr Wissen weiterzugeben, um auch in den Menschen in der Region den Theaterenthusiasten zu wecken.

Das Bruchwerk-Theater ist in dieser Form in der Region zwar einzigartig, dennoch teilen das Team des Bruchwerk Theaters ihre Ziele mit vielen anderen Theatermachern und -anbietern in der Kulturregion Südwestfalen, darunter 18 Programmtheater, zumeist ehrenamtlich getragene rund 50 Theater mit und ohne eigener Spielstätte, etliche freie Theatermacher und Theaterpädagogen.

Sie alle möchten mit ihren Mitteln und Zugängen Menschen zum Schauspielen bewegen, Austausch schaffen, kulturelle Kompetenzen vermitteln und Themen auf die Bühne bringen, die das Publikum berühren und bestenfalls zum Nachdenken bringen.

Kultur muss lauter werden!

Ulrike Wesely von MuT Sauerland e. V.

Damit das passiert, sind man bisweilen Hilfsmittel wie das Grammophon notwendig, das nicht nur für die Wiedergabe, sondern auch für die Aufnahme von Tönen gedacht ist. Der Trichter verstärkt die Lautstärke zudem.

Ulrike Wesely steht vor einem roten Theatervorhand, hält sich einen Grammophontrichter vor ihr rechtes Ohr und macht dabei ein gespielt theatralisch erstauntes Gesicht.

Für eine bessere Kulturaufnahme

Den Grammophon-Trichter, den Ulrike Wesely vom Verein MuT Sauerland e. V. in Händen und am Ohr hält, steht in seiner vollen Pracht im Kulturgut Schrabbenhof in Kirchhundem und passt wunderbar zur Devise des Vereins: Kultur nicht nur aussenden, sondern Menschen auch an kulturellen Gestaltungsprozessen mitwirken lassen. Denn wer sich auf diese Art selbst kulturelle Kompetenzen aneignet, der kann Kultur auch besser aufnehmen. Die Sauerländerin ist studierte Musikerin und Theaterpädagogin, Geschäftsführerin des Kulturguts Schrabbenhof und gleichzeitig die künstlerische Leitung des Vereins MuT-Sauerland e.V. MuT ist zwar die Abkürzung für Musik und Theater, als Wortspiel aber auch Programm: Seit 2013 bewirtschaftet der Verein mit dem ehemaligen Gutshof Schrabbenhof im ländlichen Kirchhundem-Silberg einen Begegnungs- und Veranstaltungsort, um dort in Bürgernähe Kultur zu etablieren. Ulrike Wesely und ihr rühriges Team stemmen in unzählbaren und endlosen Stunden ein anspruchsvolles Musik- und Theaterprogramm und immer wieder neue Kulturprojekte (dass daneben auf dem Kulturgut noch ein Trödelmarkt, ein Heimatmuseum und ein Café betrieben wird, sei hier nur am Rande erwähnt).

Porträtaufnahme von Ulrike Wesely, die zwischen einem schwarz-roten Theatervorhand hervorschaut und in die Kamera lächelt.

Durch Kooperationen gehört werden

Renommierte Künstler in die Region zu holen gehört dabei ebenso zur Grundidee wie heimische Künstler zu entdecken und ihnen hier eine Bühne zu geben. Dementsprechend sind Vernetzung und Kooperationen für MuT das A und O ihrer Kulturarbeit, um gemeinsam mit anderen Akteuren Kultur wie durch einen Trichter hörbarer zu machen.

MuT Sauerland steht beispielhaft für weit über 1.000 kulturtragende und kulturmachende Vereine aller Sparten - Theater, Chöre, Heimatvereine, Musikvereine und mehr - in der Region, die mal im kleinen, mal im größeren Rahmen aber auf jeden Fall mit immensem Stundenaufwand die kulturelle Daseinsfürsorge in der Region sicher stellen. Dieses Kulturengagement ist unbezahlt, aber auch unbezahlbar viel wert.

Arbeit ästhetisch in Szene gesetzt!

Jutta Törnig-Struck vom Industriemuseum Gut Rödinghausen

Arbeiten, das konnten die Menschen in Südwestfalen schon immer gut und ausgiebig. Und wo bleibt da vor lauter Arbeiten der Sinn für das Schöne? Wo das Schöne doch die Kultur ist und – um Karl Valentin zu bemühen – auch viel Arbeit macht.

Jutta Törnig-Struck steht im Museum vor einem flachen Glasrahmen an der Wand, hinter dem alte Nadeln zu sehen sind. Die Nadeln sind wie Colliers aufgereiht.

Stil ist Ausdruck von Anerkennungskultur

Das Gut Rödinghausen in Menden-Lendringsen wieder entsprechend herzurichten, mit einer industriegeschichtlichen Ausstellung zu füllen und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen: Das hat Jutta Törnig-Struck und ihre fleißigen Helferinnen und Helfer tatsächlich eine Unmenge an Arbeit, Kraft und zugegebener Maßen auch an Nerven gekostet. Bisweilen sei sie auf einem Sofa in der Ausstellung vor Erschöpfung niedergesunken, erzählt die Museumsleiterin. Mit einem enormen Kraftakt ist der ehemalige Wohnsitz des Freiherrn von Dücker in ein Museum der Industriekultur verwandelt worden. Der Freiherr gehörte als Gründer der ehemaligen Rödinghauser Eisenfabrique zu den wenigen Adeligen, die sich als Unternehmer betätigten. Die Kunsthistorikerin legt großen Wert darauf, die Produkte regionaler Unternehmen ästhetisch in Szene zu setzen, um somit der Arbeit, die hinter jedem einzelnen Objekt steckt, eine gewisse Würde zu verleihen. Anerkennungskultur hat einfach ganz viel Stil. So werden beispielsweise simple Alltagsgegenstände wie Nadeln zu einem fast schon kleidsamen Collier arrangiert. Schließlich haben unzählige Menschen reichlich Hirnschmalz und Muskelkraft in die Produktentwicklung, die Konstruktion von Maschinen, den Bau von Fabriken, in die Fertigung, in den Handel und Vertrieb investiert - und tun es heute noch.

Porträtaufnahme Jutta Törnig-Struck, die in die Kamera lächelt. Verschwommen im Hintergrund ist sie mehrfach gespiegelt in Ganzkörperansicht zu sehen, da sie mit dem Rücken zu einem Spiegel steht der sich wiederum in mehreren Bilderrahmen widerspiegelt.

Elan und Kraft für Kultur

Jutta Törnig-Strucks eigene Familiengeschichte ist eng mit Menden verbunden, vielleicht ein Grund für ihre Liebe zur Lokalgeschichte und für den Elan, den es braucht, um mit langen Arbeitstagen und kurzen Feierabenden leben zu können.

Wie Jutta Törnig-Struck schöpfen zahlreiche Menschen die Kraft aus ihrer Arbeit für die Geschichte der Arbeit. Das Gut Rödinghausen in Menden ist nur eines von rund 350 industriekulturellen Erlebnisorten des Netzwerkes „WasserEisenland – Industriekultur in Südwestfalen“. Einige wenige Industriekulturorte werden durch hauptamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter betreut, der Großteil liegt in den Händen von freiwillig Engagierten. Sie alle erledigen kompetente Arbeit und zeigen überdurchschnittlichen Einsatz im Schmiedehammer, im Bergwerk, in der Eisenhütte, am Kohlenmeiler, im Hauberg, im Gießereimuseum… und bringen auf diese Weise der Arbeitsleistung der Menschen in der Region ihre Wertschätzung entgegen.

Geschichten wollen sorgfältig gepflückt werden!

Wiltrud Köser-Klöckner von „Ohrenschmaus“

Damit Erzählen zum Genuss für alle Sinne wird, scheut die Märchenerzählerin Wiltrud Köser-Klöckner mit der Märchenerzählgruppe "Ohrenschmaus" keine Kletterpartie, um da und dort Geschichten vom Märchenbaum zu pflücken.

Wiltrud Köser-Klöckner sitzt in einem Apfelbaum und hält sich mit der rechten Hand an einem Ast fest.

Erzählen ist ein Genuss für alle Sinne

Bis die Frucht hübsch angerichtet zu einem Genuss wird, ist es jedoch ein langwieriger Prozess. Denn gutes Erzählen ist ein kulturelles Handwerk, das mit Sorgfalt erlernt werden will und Zeit braucht. Dann schließlich wird aus den gesammelten Märchen ein Leckerbissen für die Ohren und manchmal auch für den Mund. Die Gruppe Ohrenschmaus kredenzt den Zuhörern Märchen für Groß und Klein aus aller Welt, von den Brüdern Grimm, Sagen und Anekdoten aus der Region als Hauptgang, oft untermalt oder unterbrochen von Gesang und Musik. Bisweilen wird dem Publikum auch Märchentee oder duftendes Brot gereicht - so wird die Erzählstunde zu einem Genuss für alle Sinne. Wenn Wiltrud Köser-Klöckner in ihrem erzählerischen Element ist, dann tritt neben den Ohren- auch der Augenschmaus, denn die Erzählerin lässt ihre Geschichten mit Händen und Füßen, Mimik und Gestik als bildhaftes Erlebnis in den Köpfen ihrer Zuhörer erstehen. Der Faszination ihrer dargebotenen Geschichten kann sich dann keiner entziehen.

Porträtaufnahme der Erzählerin, die in nachdenkler Pose im  Garten sitzt, den Kopf mit der rechten Schläfe auf die Fingerspitzen einer Hand abgestützt.

Geschichtenüberliefern ist Kunst

Die Märchengruppe Ohrenschmaus ist wiederum Teil eines stetig wachsenden, lockeren, informellen Erzählernetzwerkes in Südwestfalen. Die Erzählerinnen und Erzähler dieses Netzwerkes möchten dem immateriellen Kulturgut mündliches Erzählen in der Region wieder eine größere Bedeutung verleihen. Erzählt wird (fast) überall, denn überall ist Raum und Platz für gute Geschichten: In Schlössern und Burgruinen, in Gärten und im Wald, in Jurten und in Museen, in Läden und auf öffentlichen Plätzen. Die Grenze zwischen Wahrheit und Fiktion darf dabei gerne verschwimmen. Wer weiß denn auch, was wahr und was erfunden ist?

Genau genommen machen Kulturschaffende jeder Sparte nichts anderes, als eine Geschichte zu erzählen, lediglich mit unterschiedlichen künstlerischen Ausdruckformen. In Südwestfalen sind viele freie Erzähler:innen, Theaterpädagog:innen, Autor:innen und Kulturlandschaftsführer:innen unterwegs, die auf ihre ganz individuelle Art ihre Geschichten weitergeben.

Auseinandersetzung mit Vergangenheit ist Selbstreflektion!

Dr. Eckhard Trox vom Geschichtsmuseum der Stadt Lüdenscheid

Die eigene Geschichte ist der Spiegel der Gesellschaft (und umgekehrt), daher müsste im Eingangs- und Ausgangsbereich eines jeden Museums ein großer Spiegel hängen, in den jeder Besucher hineinschauen kann.

Dr. Trox steht in einem Ausstellungraum, im Hintergrund sind Exponate zu sehen. Links neben ihm steht ein Spiegel, der die Rückansicht des Museumsleiters inklusive weitere Exponate spiegelt.

Der eigenen Geschichte begegnen

Dr. Eckhard Trox, der langjährige Leiter des Geschichtsmuseums der Stadt Lüdenscheid, und sein Team beweisen in zahlreichen Ausstellungen, Projekten und Aktionen, dass die Beschäftigung mit der Geschichte der eigenen Stadt und Region immer auch eine Auseinandersetzung mit der eigenen Biografie und dem eigenen Selbst bedeutet. Bisweilen ist Selbstreflexion sogar notwendig, um erst Zugang zur eigenen Geschichte und Kultur zu erlangen. Seitdem der promovierte Historiker, der übrigens auch Vorsitzender der Vereinigung Westfälischer Museen e. V. ist, im Jahre 1991 das Museum unter seine Fittiche genommen hat, wird der ursprünglich reine Ausstellungsort, sukzessive und mit viel Fingerspitzengefühl zu einem Ort der Begegnung entfaltet und umgestaltet. Mittlerweile nimmt neben der Weiterentwicklung und pädagogischen Inwertsetzung der Dauerausstellung vor allem die Inszenierung unterschiedlicher historischer Themen im Rahmen von Sonderausstellungen im Museum und der dazugehörigen Städtischen Galerie einen großen Raum im doppelten Sinne ein.

Der Museusleiter seht in einem Ausstellungsraum, im Hintergrund ist eine Vitrine und ein Bild zu sehen. Er steht vor einem Spiegel und schaut in die Kamera, gespiegelt wird das seitliche Profil.

Museum als offener Stadtraum

Aktuell präsentieren sich die musealen Räume als offene Räume für alle Bürgerinnen und Bürger der Stadt und Region, jeden Alters und jeder Nation. Künstler verschiedenster Sparten tummeln sich hier und gestalten gemeinsam mit den Lüdenscheidern den Blick auf ihre Stadt neu. All das wäre allerdings nicht ohne freiwilliges Kulturengagement zu stemmen: Ein funktionierendes Netzwerk und ein organisiertes Nebeneinander von hauptamtlichen Mitarbeitern und engagierten Lüdenscheider Bürgern ist daher ein wichtiger Baustein für die Aufrechterhaltung von Angeboten im Museum.

Insgesamt halten über 100 hauptamtlich und ehrenamtlich getragene größere und kleinere Museen und Ausstellungsräume in der Region den Menschen den jeweils eigenen Spiegel der Geschichte vor. Jede Region, jede Kommune hat eine eigene Geschichte sowie jedes Museum einen anderen Schwerpunkt und einen individuellen Zugang zur Vergangenheit. Das macht die Vielfalt aus.

Südwestfalen: eine On-Off-Beziehung

Barbara Peveling, Regionsschreiberin für die Kulturregion Südwestfalen 2020

Die Autorin Dr. Barbara Peveling pflegt mit der Kulturregion Südwestfalen eine unfreiwillige On-Off-Beziehung. Schuld daran trägt ein kleiner Störenfried namens Corona, der immer wieder in die Beziehung hineingefunkt hat.

Barbara Peveling steht in einem Raum in der Wendener Hütte mit Fachwerk und Bruchsteinmauern. Sie lehnt sich seitlich an ein Fenster und schaut lächelnd hinaus.

Hin und weg von der Region

Die promovierte Ethnologin freute sich sehr darüber, hier als stadt.land.text NRW-Regionsschreiberin 2020 ein viermonatiges Projektstipendium verbringen zu dürfen. Denn das Stipendium war fast schon ein Heimspiel: Barbara Peveling wurde in Siegen geboren, wuchs in Olpe auf, verbrachte im Rheinland ihre Jugend und fand schließlich über die Forschungsarbeit für ihre Promotion in Frankreich ein neues Zuhause. Der Aufenthalt in Südwestfalen wurde aber bereits nach zwei Wochen durch den ersten Lockdown zum ersten Mal unterbrochen, es folgte ein zweiter Aufenthalt im Sommer und dann noch ein dritter im Herbst, der durch das Beherbergungsverbot aber schnell wieder beendet wurde. In den Folgejahren kam Barbara Peveling wieder in die Region zurück, um im Kreis Olpe einen Workshop zum biografischen Schreiben anzuleiten. Trotz (oder vielleicht sogar wegen?) aller Widrigkeiten eröffnete die On-Off-Beziehung einen neuen, ganz anderen, äußerst intensiven Blick ins tiefste Innere der Region, teilweise aber auch einen angemessenen distanzierten Blick aus der Ferne.

Die Autorin sitzt in der Wendener Hütte an eineme Tisch, die Ellebogen aufgestützt und das Gesichts in die gefalteten Hände seitlich abgelegt.

Empowerment als Möglichkeit einer Region

Die Kulturregion Südwestfalen als Regionsschreiberin im Zusammenspiel von persönlichen Erfahrungen und den ethnologischen Methoden der Feldforschung neu zu entdecken und zu erforschen, welche Möglichkeiten die Region bietet, das war der Plan für den Aufenthalt der ausgebildeten Ethnologin und Autorin– und der Plan ist aufgegangen. Die Südwestfalen reden offen und bereitwillig über ihre Region, sie tauschen sich gerne über die Erfahrungen mit ihrem Umfeld aus, gehen auch gerne über den regionalen Horizont hinaus. In den Menschen schlummert eine Menge Potenzial an künstlerischer Schaffenskraft, sie brauchen jedoch Empowerment, wie es bereits heute in Ballungszentren der Fall ist- also Selbstermächtigung plus entsprechende Ressourcen – für die Umsetzung. Künstlerresidenzen, also Frei- und Schonräume für kreative Prozesse für externe, aber auch für Künstlerinnen und Künstler aus der Region fehlen. Kreative Eigenständigkeit, ausreichende Ressourcen und offene Spielräume – das ist eine perfekte Grundlage für eine langanhaltende, intensive Liebesbeziehung.

Im Rahmen des Residenzprogrammes stadt.land.text NRW erschaffen 10 Autor*innen in 10 Kulturregionen mit vielfältigen literarischen und künstlerischen Mitteln, Medien und Aktionen ein facettenreiches Panorama der Alltagskulturen in NRW und zeigen, wie kräftig, bissig, einfühlsam und humorvoll die junge deutschsprachige Literatur sein kann.

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